PNP079 - Veränderte Familienstrukturen - So wachsen Patchwork-Familien zusammen

Warum Patchwork-Familien so herausfordernd sind
Wenn zwei Familien zusammenwachsen, treffen verschiedene Erziehungsstile, Werte und emotionale Prägungen aufeinander. Gerade Kinder reagieren oft mit Ablehnung oder Widerstand, weil sie sich erst an die neue Situation gewöhnen müssen. Es gibt eine innere Zerrissenheit zwischen Loyalität zum leiblichen Elternteil und der neuen familiären Struktur. Dies kann zu Spannungen führen, wenn Kinder sich bewusst oder unbewusst gegen die neuen Regeln und Hierarchien auflehnen.
Ein Beispiel aus dem Podcast veranschaulicht dies eindrücklich: Stephan Buchhester berichtet von seiner eigenen Kindheit in einer Patchwork-Familie. Ein scheinbar banales Problem – ein schiefes Gartentor – wurde zum Symbol für unterschwellige Konflikte zwischen ihm und seinem Stiefvater. Der Konflikt um das Gartentor stand dabei stellvertretend für eine tiefere Frage: “Warum solltest du mir etwas vorschreiben dürfen, wenn du nicht mein richtiger Vater bist?”
Rollenkonflikte verstehen
Jeder Mensch hat verschiedene soziale Rollen – als Elternteil, Kind, Freund oder Berufstätiger. In Patchwork-Familien geraten diese Rollen oft in Konflikt. Das Kind könnte denken: “Du bist nicht mein richtiger Vater/meine richtige Mutter, also hast du mir nichts zu sagen.” Gleichzeitig versucht der neue Elternteil, eine Balance zwischen Respekt und Fürsorge zu finden.
Die Psychologie unterscheidet verschiedene Arten von Rollenkonflikten:
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Interrollenkonflikte: Hier konkurrieren verschiedene Rollen innerhalb einer Person. Ein Kind kann gleichzeitig Sohn oder Tochter sein, aber auch Rebell oder Freund eines anderen Familienmitglieds.
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Intrarollenkonflikte: Unterschiedliche Erwartungen an eine einzige Rolle stehen im Konflikt. Der neue Elternteil soll einerseits für Ordnung sorgen, aber gleichzeitig Vertrauen und Nähe aufbauen.
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Konflikte durch externe Erwartungen: Unterschiedliche Erziehungsstile der leiblichen Eltern oder andere Bezugspersonen können das Kind in Loyalitätskonflikte bringen.
Souveränität statt Strenge – Von Druck zu Sog
Ein häufiger Fehler ist es, mit Strafen oder Machtansprüchen zu reagieren. Wer mit Sanktionen arbeitet, riskiert, dass sich das Kind noch stärker abgrenzt. Stattdessen sollte ein “Sog” erzeugt werden: Wer Vertrauen aufbaut und authentische Beziehungen pflegt, wird langfristig als Bezugsperson akzeptiert.
Stephan Buchhester berichtet von einer entscheidenden Erfahrung mit seinem Stiefvater: Als er in der Pubertät einmal trotzig sagte, “Du hast mir gar nichts zu sagen”, reagierte sein Stiefvater nicht mit Wut oder Strafen, sondern mit ruhiger Souveränität. Dieses Verhalten machte auf ihn langfristig mehr Eindruck als jede Strafe es hätte tun können. Es zeigte ihm, dass er in der neuen Familie akzeptiert wurde, selbst wenn es mal schwierig wurde.
Drei entscheidende Tipps für Patchwork-Familien
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Geduld bewahren – Kinder brauchen Zeit, um sich an neue Elternteile zu gewöhnen. Es kann Jahre dauern, bis Vertrauen aufgebaut ist.
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Klare Rollen definieren – Der neue Elternteil sollte nicht versuchen, sofort die Vater- oder Mutterrolle zu übernehmen, sondern sich zunächst als Vertrauensperson etablieren.
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Milde zeigen – Fehler sind normal, sowohl bei Eltern als auch bei Kindern. Konflikte sollten nicht eskaliert, sondern als Teil des Bindungsprozesses gesehen werden.
Fazit
Patchwork-Familien sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Wer mit Geduld, Offenheit und einem guten Gespür für Rollenverteilung agiert, kann aus Fremden eine echte Familie formen. Konflikte gehören dazu – entscheidend ist, wie man mit ihnen umgeht.
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